“Mir einfach so was vorstellen, da brauch ich doch keine Therapie für, das kann ich auch!”
Stimmt.
Die Fähigkeit, sich innerlich etwas vor Augen zu führen und zu imaginieren, ist so alt wie die Menschheit. Funde der Höhlenmalerei lassen auf Vorstellungsfähigkeiten schon in der Steinzeit schließen.
Die Abbildungen der Höhlenmalerei sind Zeugen der ersten symbolhaften Darstellung von Bedeutung. Wie hier die Handabdrücke, die an die Anwesenheit von Menschen erinnern und als Zeichen deren Existenz bezeugen. Eine symbolhafte Beglaubigung eines Treffens und einer Gemeinschaft.
Die katathyme Funktion der Symbole im Bilderleben
Wie können nun Symbole in Imaginationen auftauchen? Durch die Anregung unserer Vorstellungskraft durch initiale Bilder entstehen sie unwillkürlich, am geplanten Verstand vorbei. Das ist die Magie der Psyche.
Hanscarl Leuner (1919-1994) entwickelte die KIP (Katathym Imaginative Psychotherapie), eine auf der Basis der Tiefenpsychologie basierende Methode, die affektives, d.h.emotional gefärbtes Erleben von unbewussten Inhalten in Form von Bildern ermöglicht.
In einem systematischen Prozess begleitet die Therapeutin den Klienten anhand festgelegter Ausgangsmotive in die eigene Ausgestaltung des Motivs. Dabei bleiben beide in einem emphatischen Dialog über das, was der Klient oder die Klientin erlebt.
Überraschenderweise erfahren sich Menschen in Imaginationen nicht nur über das Gesehene, sondern auch über das Gehörte und Gefühlte, manchmal auch in Gerüchen. Symbole schaffen die Verbindung vom Unbewussten zum Bewussten.
In einer Nachbesprechung wird das Erfahrene in den Bewusstseinsraum zurückgeholt und ein Erkenntnisprozess kann beginnen. Die imaginative Reise führt also zu einer Verbindung mit unserer Gefühlswelt. Sie findet danach den Weg über das Bewusstsein zu einer Klarheit, die das Erlebte in einen neuen Bedeutungszusammenhang führen kann. Aus diesem schöpfen wir Kraft. So können wir tiefe Einblicke in Themen gewinnen, die wir ohne die Imagination und nur über den Verstand nicht hätten erschließen können.
Das Unbewusste enthüllt sich über die Vorstellung und offenbart Lösungen und Stärken. Die Psyche kann mehr als nur Denken. Sie ist die Kraftquelle unserer Ressourcen.
Die Blume als Motiv des aktuellen Standpunkts
Die lebhafte Blume spiegelt zum einen das dynamische Temperament, aber auch den Wunsch nach Zentrierung und Ruhe. Die Person imaginiert sich auf dem Stempelkissen im Inneren der Blume sitzend. Deshalb der Titel “Der Ruhekelch”.
Es ist sehr wichtig für die ressourcen-stärkende Bildbesprechung, nicht von den eigenen Interpretationen oder gar Bewertungen des Gesehenen auszugehen, sondern den Beschreibungen des Klienten zu folgen, wie ein Blinder, der die Welt des Anderen durch Beschreibungen erfährt. Offenheit, Neugierde und unbedingte Akzeptanz sind Voraussetzungen für die Begleitung des katathymen Bilderlebens.
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